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Grüezi, ich bin Ihr Sprachcomputer

smm_default__.jpgLange Wartezeiten bei telefonischen Kontakt-Centern zehren an den Nerven von Bank- und Telekomkunden. Abhilfe schaffen kann der Computer – wie in anderen Fällen, wenn der Mensch angesichts der Hektik der modernen Geschäftswelt überfordert ist. Um die Effizienz von Service-Centern zu erhöhen, nutzen gewisse Firmen in der Schweiz die Technik der Spracherkennung. Ein Pionier ist das Kreditkartenunternehmen Swisscard, das je zur Hälfte der Credit Suisse und American Express gehört. Wer die Helpline der Firma wählt, schildert dem Computer sein Problem, beispielsweise dass einem die Kreditkarte abhandengekommen ist und man sie sperren möchte. Das System verwandelt die Sprache in Text («speech to text») und weist den Kunden einem kompetenten Mitarbeiter zu: Dank Spracherkennung weiss dieser über das Problem bereits Bescheid, wenn er den Anruf entgegennimmt.

Noch nutzen erst wenige Schweizer Unternehmen die Spracherkennung. Jürg Schleier, Manager beim Zürcher Entwickler von Spracherkennungssystemen Spitch, schätzt ihre Zahl auf rund zehn; fast ebenso viele Projekte hat die Firma laut eigenen Angaben aber am Laufen.

Kontroverse um Postfinance

Die Technik ist noch jung und deshalb mit Unsicherheiten verbunden. Vor allem rechtlich ist vieles im Fluss, was zahlreiche Firmen wohl zum Abwarten bewegt. Sorgen machen sich kritische Geister wegen des Datenschutzes; besonders gross ist die Skepsis, wenn das System nicht bloss zur Vermittlung genutzt wird, wie das Swisscard tut, sondern auch zur Identifikation von Kunden. Es ersetzt in diesem Fall Fragen, die Anrufer zur Authentifizierung üblicherweise beantworten müssen.

In Kontroversen geriet deswegen der Finanzdienstleister Postfinance. Gemäss dem Datenschutzgesetz von 1993 gelten biometrische Daten nicht als besonders schützenswert. Firmen müssen daher die Kunden nicht ausdrücklich um Erlaubnis fragen, um die Spracherkennung zu nutzen (Opt-in). Die Kunden haben aber das Recht, diese Art der Identifikation abzulehnen (Opt-out). Als Postfinance vor einem Jahr die Identifikation mittels Spracherkennung einführte, wendete sie freiwillig das Prinzip von Opt-in an, ging nach zwei Monaten aber zu Opt-out über. Beim Eidgenössischen Datenschutzbeauftragten Adrian Lobsiger kam das schlecht an. Er beklagte, dass Schweizer Kunden im Vergleich mit jenen im Ausland benachteiligt seien. In der EU müssen die Anrufer der Authentifizierung mit Stimmabdruck ausdrücklich zustimmen. Wie lange diese Ungleichbehandlung noch anhalten wird, ist ungewiss. Derzeit berät das Parlament das neue Datenschutzgesetz. Es definiert biometrische Daten ebenfalls als besonders schützenswert.

Es sind aber nicht nur rechtliche Fragen, die Unternehmen bei der Spracherkennung zögern lassen. Es geht auch um die Kosten. Um wie Postfinance Kunden zu identifizieren, muss ein Angestellter einmalig ein mindestens einminütiges Gespräch mit ihnen führen. Auf diese Weise entsteht ein Stimmabdruck. Damit sich dieser Aufwand und die weiteren Kosten der Implementierung lohnen, sollte ein Kontakt-Center täglich rund 800 Anrufe mit 30 bis 40 Angestellten entgegennehmen. In der Regel verfügt etwa eine mittelgrosse Kantonalbank über ein Kontakt-Center dieser Grösse, ausser Postfinance scheint aber noch kein Finanzdienstleister die Spracherkennung im direkten Kundenkontakt zu nutzen.

Ausserhalb des Finanzsektors zählt der Autohändler Amag zu den Pionieren der Spracherkennung. Sein Ersatzteillager erhält pro Tag rund 1500 Anrufe von Garagisten, womit es die kritische Grösse erreicht. Garagisten nennen die 17-stellige alphanumerische Chassisnummer, worauf der Angestellte im Ersatzteillager bereits zu Beginn des Gesprächs weiss, um welchen Fahrzeugtyp es sich handelt. Das System versteht sogar unterschiedliche Dialekte und filtert Nebengeräusche heraus.

Zumindest IT-Fachleute sind deshalb ganz euphorisch, was die Zukunft der Spracherkennung angeht. Vor allem die junge Generation werde, so glauben sie, den Dienst rege nutzen, da sie das Smartphone bereits häufig mittels Sprachfunktion bediene. Auch die Unternehmen sind von der Spracherkennung begeistert. Doch handelt es sich dabei nicht um eine weitere Technik, der Arbeitsplätze zum Opfer fallen werden? Pionier Swisscard bestreitet solche Absichten. Die Spracherkennung diene ausschliesslich der Triage. «Swisscard bedient eine steigende Zahl Kunden und wickelt immer mehr Transaktionen ab», sagt Sprecher Urs Knapp. Deshalb sei die Firma auf effiziente Prozesse angewiesen.

Kann man Krankheiten erkennen?

Vorerst werden die Promotoren der Spracherkennung wohl aber weiter gegen Bedenken der Konsumenten gegenüber neuen Technologien kämpfen müssen, die man je nach Standpunkt als diffus oder bedenkenswert beurteilen kann. Ist es etwa möglich, vom Stimmabdruck auf Krankheiten zu schliessen? Die Stimme kann beispielsweise Hinweise auf die Parkinsonsche Erkrankung geben, den endgültigen Beweis liefert sie aber nicht. Und Skeptiker werden sich noch lange die Geschichte erzählen, dass es einem Betrüger trotz Stimmerkennung gelang, ein Bankkonto zu hacken. Es handelte sich angeblich um den eineiigen Zwilling des Kontoinhabers, der erst noch das gleiche Körpervolumen aufwies wie sein Bruder.

Auch die Spracherkennung kann eben unterschiedlich «scharf» erfolgen – wie andere Sicherheitsmassnahmen auch. Wer den Standard hoch ansetzt, weist Kunden vielleicht zu Unrecht ab («false rejection»); umgekehrt schlüpfen möglicherweise Klienten durch die Stimmerkennung, falls diese zu «weitmaschig» ist («false acceptance»). Spitch-Manager Schleier sagt daher: «Die Spracherkennung ist nicht zwingend sicherer als andere Methoden, aber komfortabler.»

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